Der kleine Drache kehrte für längere Zeit nicht mehr zurück ins Dracheneiertal und zu der Frau. Es gab so unglaublich viel zu tun auf der Erde, und er sang so vielen Menschen wie möglich sein Lied ins Ohr. Einige konnten ihn hören, andere schüttelten nur den Kopf und folgten weiter ihrem traurigen Leben.

Als er zurückkam, war es bereits Anfang Winter und er war sehr müde. Obwohl er enthusiastisch in die Welt gestartet war, war er nun sehr traurig und müde und wollte sich ausruhen. So erschrak die Frau nicht schlecht, als plötzlich eine große dunkelrote Tatze an ihre Gartentür klopfte und der Drache draußen stand. Josias war jetzt dunkelrot geworden und nicht mehr so zartrosa wie beim letzten Mal. Gerne hätte die Frau ihn in ihr Haus gelassen, aber Josias war schlicht und einfach zu groß geworden. Also setzte sie sich ihre violette Mütze auf und ging zu ihm in den Garten. „Was machst du denn hier, inmitten der Häuser? Ist das nicht zu gefährlich für dich, wenn die Menschen dich sehen könnten?“, fragte sie.

„Die Menschen sehen mich sowieso nicht. Ich habe versucht, ihnen in der Ferne von der goldenen Zeit zu singen, aber sie hören mich nicht. Sie hören mich einfach nicht. Die meisten von ihnen sitzen an ihren kleinen rechteckigen Geräten und merken nicht, wie sie ihre Energie und Lebenskraft dadurch der grauen Kraft schenken. Ich habe sie gesehen, die graue Kraft, und glaube mir, das ist nichts Schönes. Diese graue Kraft sollte und muss von der Erde verschwinden. Aber jetzt bin ich vom vielen Liedersingen einfach nur müde.“

Die Frau hatte Mitleid mit dem müden Drachen. Sie kannte dieses Gefühl nur zu gut. Ein ganzes Leben lang schon versuchte sie, die Menschen mit ihrem Gesang zu berühren, doch nichts geschah und die Kriege und die Gräueltaten schienen immer weiterzugehen. Sie holte für Josias einen Schal und brachte ihm einen heißen Tee. „Ich bin gekommen, um mich auszuruhen“, sagte er. „Ich werde mich über den Winter in die Pyramide zurückziehen, welche mein Zuhause ist. Da will ich mich ausruhen und verwandeln, um dann im Frühjahr wieder aufzuerstehen und mit der Arbeit weiterzufahren. Begleitest du mich zur Pyramide?“ Natürlich würde die Frau ihn zur Pyramide begleiten. Sie fragte ihn noch, ob er etwas mitnehmen wolle, wenn er sich in der Pyramide ausruhen würde. Er bat darum, einen Kristall aus ihrer Sammlung mitnehmen zu dürfen.

Gemeinsam machten sie sich bei der nächsten Vollmondnacht auf Richtung Pyramide. Wie der Drache da hinein geraten wollte, war der Frau allerdings ein Rätsel. Sie setzten sich bei der Bank nieder, welche auf die Pyramide schaute, und warteten. Die Frau begann ein Lied zu summen und der Drache Josias setzte langsam ein, mit einer äußerst tiefen und sonoren Stimme. Der Gesang glich dem Gesang der Delfine und Wale und unerklärlicherweise fühlten sich die beiden aufs Engste mit diesen Meeresengeln verbunden.

Auf einmal öffnete sich die Pyramide. Goldenes Licht floss heraus und der Drache fühlte sich magisch davon angezogen. Er stand auf und sagte zu der Frau: „Ich werde jetzt in das Licht gehen, um mich auszuruhen und zu erholen. Wenn der kürzeste Tag kommt, bitte ich dich, zu der Pyramide zu kommen und dich mit dem Licht der Pyramide zu verbinden. Bringe ein wenig Wasser aus der Quelle mit. Lade andere Menschen ein zu diesem kräftigen Ritual. Es wird sich das Tor wieder öffnen, goldenes Licht durchscheinen und ihr seid aufgerufen, Zeugen dieses Vorgangs zu werden. Komme vermehrt zu diesem Bänkchen und du wirst noch Vieles erfahren bis dahin. Fürs Erste verabschiede ich mich.“

Die Frau war ein bisschen traurig, dass der Drache sie nun verlassen würde. Sie hatte die letzten Tage mit ihm genossen. Dennoch freute sie sich, dass er nun in ihrer Nähe war und sie in den nächsten sieben Wochen Zeit hatte, sich mit ihm aufs Engste zu verbinden, um dann an der Wintersonnenwende das Licht in und um die Pyramide zu bezeugen, zu besingen und zu bestaunen. Sie wollte mutig sein und andere Menschen zu diesem Anlass einladen, auch wenn sie selbst ebenso müde wie der Drache war.

Josias stand auf und verließ die Frau, näherte sich der Pyramide, welche golden schimmerte, verschwand darin und die Portale schlossen sich und das Licht verschwand.