Manchmal verließ die Frau mit ihrem weißen Hund ihr magisches Drachental und stieg hinab in die Welt der lauten Stadt, der Autos, des Lärms und der vielen Menschen. In der Stadt hatte sie Menschen, die sie liebte und die sie liebten. Mit ihnen wollte sie sich ab und zu treffen. Es war ihr auch in der Stadt möglich, die wunderbare Schönheit von Mama Gaia zu bestaunen. Sie fand Federn von Vögeln, wunderbare Blumen, die sich in ihrer ganzen Pracht und Vielfalt ausbreiteten, kleine Tiere wie Schnecken und Eidechsen, die sie den Weg finden und die Verbundenheit spüren ließen.

So war sie auch diesmal wieder in ihrer alten Stadt angekommen und ging gemütlich mit ihrem weißen Hund an der Leine durch die Straßen spazieren. Die weiße Hündin hatte viel zu tun, denn viele Hunde hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie hatte viel zu riechen und aufzunehmen. Es war sehr warm geworden, und mit dem dicken Fell war das Laufen auch ein bisschen anstrengend. 

So übte sich die Frau darin, in einem gemütlichen Tempo, dem Hund angepasst, durch die Straßen zu wandern. Entlang einer Allee fand sie viele Taubenfedern, und sie fühlte sich reich beschenkt von der geistigen Welt. Jede Feder war für sie ein Gruß der Engel und des geistigen Reiches. In all dem Lärm um sie herum vergaß sie plötzlich, wo sie war. Sie sah die Stadt mit anderen Augen und ihre Wahrnehmung schien am helllichten Tag mitten in der Stadt zu verschwimmen. Sie sah, wie all die Häuser und Blöcke, die jetzt noch mit Menschen gefüllt waren, dereinst komplett leer stehen würden, weil die Menschen verschwunden waren. Etwas hatte sie vertrieben, und die Häuser wurden nicht mehr gebraucht. Gleichzeitig konnte sie einen Blick in die Vergangenheit werfen und sah, wie die Landschaft einst unverbaut war, keine Autos vorbeifuhren und keine Autobahnen die Landschaft durchschnitten, sondern nur ewige Stille auf Mama Gaia herrschte.

Da stand auf einmal ein transparenter hellblauer Drache vor ihr, der mehrere Meter groß war. „Willst du noch mehr davon sehen, wie die Welt wirklich ist?“, fragte er die Frau. Natürlich wollte sie und stieg alsgleich auf den Drachen. Gemeinsam flogen sie bis zum Planeten Neptun und landeten dort in einer lichterfüllten Stadt. Die Frau durfte von dort aus durch ein Fernrohr zurück auf den Planeten Erde schauen. Das Fernrohr wirkte wie ein Film. Sie sah, wie viele Wesen den Planeten Gaia bevölkerten und wieder verließen. Andere Wesen kamen und verschwanden wieder. Genauso war es auch mit der jetzigen Menschheit. Sie kamen, und sie verschwanden wieder. Sie konnte sehen, wie eine neue Menschheit den Planeten bevölkerte. Diese Menschen waren größer gewachsen, und ihre Körper waren viel leichter und kristallin. Sie ernährten sich vorwiegend von Pflanzen, Licht und Wasser.

Neben sich spürte sie eine engelhafte Präsenz und wusste, dass es der Engel Jophiel war. Er lud sie ein, zusammen mit dem hellblauen Drachen vom Neptun auf die Erde zurückzukehren. Sie war sehr gerne bereit dazu. Der Engel Jophiel und die Frau stiegen auf und landeten in einer anderen Zeit auf Gaia. Wie sie in ihrer Vision vorhergesehen hatte, waren die alten Häuser größtenteils verlassen. Die Menschen lebten in einfachen Erdhäusern in kleinen Gemeinschaften und pflanzten ihr Essen selbst an – doch da sie viel weniger brauchten, war das keine große Arbeit. Die Menschen waren meistens gesund und konnten sich bei Krankheit leicht selbst heilen. Jeder Mensch durfte das tun, was ihm gefiel und worin er seine Stärke entdeckt hatte. So gab es Maler und Künstler, Geschichtenerzähler und Wanderer, Kinderbegleiter und Altenpfleger, die alles aus Liebe und in Verbundenheit mit der höchsten göttlichen Quelle vollbrachten. Jeder trug mit seinen Gaben zur Gemeinschaft bei, was wichtig war. Alle Menschen waren zutiefst in ihren Seelen zufrieden.

Die Zeit hatte sich grösstenteils aufgelöst, und die Menschen hatten gelernt, sich an andere Orte und Zeiten zu teleportieren und zu fliegen, was sie auch häufig taten, denn diese Menschen wollten sehr viel entdecken und erleben. Die Frau betrachtete alles voller Staunen und konnte nicht glauben, dass so etwas einmal wirkliche Wirklichkeit werden könnte. 

„Ich träume wohl“, dachte sie und schüttelte sich, trommelte mit den Händen auf ihren Brustkorb – doch die Vision verschwand nicht. „Wie nur kann so etwas wirklich werden?“, fragte sie den Engel und den Drachen, als sie plötzlich spürte, wie sie von hinten ihr türkisleuchtendes Einhorn anstupste. Es wieherte und lachte. „Ganz einfach – indem du und viele Menschen daran glauben und davon träumen. So werdet ihr die Gründer einer neuen Wirklichkeit. Dein Glaube an eine andere Wirklichkeit wird diese Vision möglich machen.“

An der rechten Hand der Frau begann der weiße Hund in der Stadt an seiner Leine zu ziehen. Die Frau und der Hund schüttelten sich, und es landete eine kleine weiße Feder direkt vor ihren Füßen. Sie fühlte sich gesegnet und gestärkt und ging gemütlich ihren Weg weiter – mitten in der Stadt, im Lärm und Gestank, im Sonnenschein und in der Blütenpracht der Stadtblumen – wohlwissend, dass auch das nicht ewig währen würde und sie ein Glied von etwas Größerem und Umfassenderem war, als sie selbst es erahnen und glauben konnte.

Alles war gut, so wie es war. 
Hier und Jetzt.