Sie konnte es nicht fassen. Wieder war sie abgetaucht und verschwunden in der dunklen Nacht der Seele. Dorthin, wo nichts mehr ging. Jahrelang hatte sie Therapie gemacht, alle möglichen Varianten ausprobiert. Psychotherapie, Yoga, Achtsamkeitstraining, Mediale Beratungen und Schamaninnen aufgesucht. Sie hatte viele Bücher gelesen und sich zwischendurch auf einem spirituellen Höhepunkt wiedergefunden. Dennoch war sie jetzt nur müde, müde, müde und wollte diesen Planeten am liebsten verlassen. Sie lag im Bett und konnte zum aber tausendsten Mal nicht einschlafen.

Da spürte sie eine dunkelblaue Präsenz in ihrem Zimmer. Gleichzeitig schienen tausende von Augen sie anzustarren. Sie fühlte sich ausgestellt und verfolgt. Sie zog ihre Bettdecke über den Kopf. In ihrem Innern, oder war es im Aussen, nahm sie einen wohlig warmen dunklen Klang wahr, der sie sanft und liebevoll umsummte. Er hüllte sie vollkommen ein. Sie fühlte sich schwer und ihre Augen schlossen sich. 

Hinter ihren Augen sah sie Erzengel Anael auftauchen. Er war in einen nachtblauen Mantel gehüllt, auf welchem tausende Augen abgebildet waren. Es fürchtete sie. Er aber sprach mit tiefer wohlwollender Stimme: 

«Geliebte Menschin, fürchte dich nicht. Ich bin hier, um dich in deiner dunkelsten Stunde zu halten. Wenn du glaubst, nichts geht mehr; wenn du dich von dir selbst und allen Welten abgeschnitten fühlst, du deinen Dämonen in die Augen schaust und dich ganz klein machen möchtest, wisse, in diesem Moment stehe ich hinter dir und fange dich auf. Ich bin direkt verbunden mit der Quelle des göttlichen Ursprungs. Tiefer als in Gottes Hand kannst du nicht fallen. Reich mir deine Hand und folge mir.» 

Sie hatte angefangen zu weinen, aber gab dem Erzengel ihre Hand. 

Sie standen auf einer schneebedeckten Winterwiese. Hinter einem grossen Stein lugte ein Erd-und Feuerdrache keck hervor und winkte den beiden freudig zu. Obschon sie müde war, begann ihr Herz ein wenig zu leuchten und an der Hand des grossen Engels Anaels näherten sie sich dem Erd-und Feuerdrachen. Er lachte sie an und sprang vor Freude 3-mal in die Luft. 

«Oh, wie ich mich freue, geliebte Menschin, dass du jetzt gekommen bist. Die Anwesenheit von Menschen ist so selten geworden. Lass dich umarmen.» 

Sie zögerte nicht und liess sich von den Flügeln des Drachens, der etwa 2m gross war, umhüllen. Sie war erstaunt, dass er nicht kalt und glitschig war, sondern sich sehr warm und samten anfühlte. 

«Komm, ich will dir etwas zeigen», sagte der Drache. 

Zu dritt gingen sie in den grossen Stein hinein. Sie spürte, wie ihre Kraft und Lebensenergie bei jedem Schritt zurückkehrte. Im Inneren des Steins ging es ein lange Treppe nach unten. Sie kamen in einer grossen Höhle zu einem unterirdischen See, welcher in allen Regebogenfarben leuchtete. Aus dem Zaubersee entstieg ein zartes, filigranes Einhorn und begrüsste die 3 sanft mit seinen Nüstern. 

«Dieser See ist mit allen Gewässern auf Mama Gaia verbunden. Er ist das Herz von Mutter Erde. Mit der vereinten Kraft der Drachen, Engel, Einhörner und Menschen können wir sie in ihrem Wandlungsprozess unterstützen. Bist du dabei? Wir brauchen dich!», erklärte der Drache. 

Natürlich war sie dabei. Ihr Herz machte einen Freudensprung. Der Drache begann mit einer tiefen vibrierenden Stimme einen Ton zu summen, Erzengel Anael setze ebenfalls ein. Das Einhorn gab hohe kristallene Töne von sich und die Menschin setzte ihren Ton irgendwo dazwischen. 

Der See begann in viel helleren Farben zu leuchten. Da sah sie, wie Mama Gaia über dem See als blaue Kugel zu schweben begann. Das Einhorn berührte die blaue Kugel mit seinem goldenen Horn. Mama Gaia begann sich in einen Kokon aus Licht einzuhüllen. Staunend sahen die Vier zu, währendem sie weiter sangen. Plötzlich zerbarst das Lichtkokon und Mama Gaia war neu geboren. Sie glänzte in klaren Farben und ihr neues transparentes Sein wurde wahrnehmbar. Im Innern der Kugel war ein Herzschlag zu sehen. Alle 4 waren über eine Schnur damit verbunden. Eine unbeschreiblich tiefe warme und hingebungsvolle Liebe erfüllte die Höhle. In Ehrfurcht standen sie da und waren Zeugen eines mystischen Vorgangs.

Sie lag wieder in ihrem Bett. Ihr Herz schlug wild. Gleichzeitig empfand sie eine unglaubliche Ruhe und Gelassenheit. Sie wusste, dass alles gut war und die Geburt des Neuen unmittelbar bevorstand.

Auch wenn es schwer zu fassen war.